Auftakt.

Johannes Heger und Eva Stögbauer-Elsner

Neue Begegnungen mit einem alten Bekannten – dem Teufel

Illustration: »Ann-Kathrin Busse«

Gefürchtet und verehrt, verabschiedet und heraufbeschworen, marginalisiert und ikonisiert. Mit jedem dieser Attribute ließe sich eine Geschichte über den Protagonisten dieses Heftes erzählen: den Teufel. Von aktueller Theologie weitgehend verabschiedet, bleibt er Teil heutiger Lebenswelten. Grund genug, religionspädagogisch motiviert über ihn nachzudenken.

Auf den ersten Blick erweckt das vorliegende Heft den Eindruck, aus der Zeit gefallen zu sein. Den Teufel zu thematisieren, könnte als ein theologischer Schritt rückwärts hinter den »Abschied vom Teufel« (Haag) gewertet werden bzw. als Rückgriff in die Mottenkiste einer überholten Theologie. Mit der Predigt von Hölle und Teufel wurde lange genug Angst verbreitet, Pastoralmacht zementiert und religiöse Erziehung auf der Hintergrundfolie einer Drohbotschaft entwickelt (Langer)! Insofern ist es zu begrüßen, dass jüngste Publikationen nicht mehr primär über den (personalen) Teufel, sondern über »das Böse« handeln (Schwendemann) bzw. Kontexte des »Phänomens Teufel« im Kontext der Religions- und Kulturgeschichte beleuchten (Huncke/Paganini).

Zum Teufel mit dem Teufel!?

Doch ist diese »Zum-Teufel-mit-dem-Teufel«-Haltung aus religionspädagogischer Perspektive überzeugend? So paradox dies anmutet, lautet die Antwort dieses Heftes: nein!

Denn der zu befürwortende Abschied der akademischen Theologie vom Teufel als Person bedeutet längst nicht, dass die Bilder bzw. Konzepte des Teuflischen aus der Lebenswirklichkeit von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen verschwunden sind. Zwar ist die empirische Datenlage abseits des Phänomenbereichs Okkultismus (Schöll/Streib), Satanismus und Exorzismus (vgl. Bauer in diesem Heft) eher dünn, weil auch die wenigen praktisch-theologischen Studien primär auf die Hölle fokussieren (bspw. Heyen). Dennoch kann mit einer gewissen Vorsicht für den deutschsprachigen Raum gesagt werden: Kinder und Jugendliche glauben weitgehend zwar nicht mehr an Existenz und Wirkmacht des Teufels (Streib). Dennoch ist er Teil ihrer Begriffs- und Vorstellungswelt – nicht zuletzt aufgrund seiner kulturellen und damit lebensweltlichen Präsenz (Erdmann 149–152).

Beobachtungen im Religionsunterricht verdeutlichen, inwiefern dies eine religionsdidaktische Herausforderung darstellt: Gerade aufgrund eines nur bedingten Wissens über den Teufel und seiner gleichzeitigen medialen Präsenz stellen Lernende immer wieder Fragen zur Existenz, dem Wesen und Wirken des Teufels. Ob sie als ernst gemeinte Fragen emotional bedrängen (Freudenberger-Lötz 183) oder als unterreflektiertes, mitunter die christliche Gottesidee pervertierendes Moment in den Religionsunterricht eingebracht werden (Lachmann 380) – sie verlangen nach einer situativen Bearbeitung durch Religionslehrkräfte.

Damit ist ein zentrales religionsdidaktisches Grundparadoxon eingekreist: Um den theologisch durchaus brisanten und komplexen Fragen über den Teufel im Unterricht begegnen sowie Fehlkonzepte und Ängste der Lernenden dekonstruieren zu können, bedarf es auf der einen Seite eines profunden Sachwissens der Religionslehrkräfte zum Teufel. Auf der anderen Seite begegnen sie in Studium und Ausbildung einer weithin über das Böse und den Teufel schweigenden Theologie und Religionspädagogik.

Zurück zum Teufel!?

Entsteht aus dieser Momentaufnahme die Notwendigkeit, den Teufel wieder ins Zentrum religiöser (Aus-)Bildung zu rücken? Begründen ließe sich eine solche Hinwendung zum Teufel etwas bieder-traditionalistisch mit dem Blick auf die offizielle Lehre der Katholischen Kirche: Obwohl der Deutsche Erwachsenenkatechismus einen »Paradigmenwechsel« vollzieht, indem er ihn zum »Randthema« werden lässt (Leimgruber 131), findet der Teufel sich doch nicht nur beiläufig: Der »Vater der Lüge« (Joh 8,44) wird u. a. als Geschöpf Gottes und zugleich als Widersacher deklariert, ihm wird eine partielle Ursächlichkeit für das Böse in der Welt zugeschrieben und er wird mit der Figur des (endzeitlichen) Antichristen verknüpft (DBK 11f.; 126–128; 417; sowie Downloadmaterial Dressler/Heger). Somit wird der Teufel universal mit dem Bösen in der Welt, aber auch individuell mit der Verlockung des Individuums zum Bösen in Verbindung gebracht. In dieser Denkspur erscheint der Teufel lehramtlich nicht nur als »weltbildlich bestimmte Anschauungsform«, nicht nur als Symbol für das Böse, sondern fußend auf der Idee »tiefere[r] Formen des Personalismus« als personale Macht, als »der« Böse, im »Zwischen« von Mensch und Gott und damit als »bleibende Glaubensaussage«, an der es sich abzuarbeiten gilt (Ratzinger).

Neben diesem eher statischen Argument des Teufels als Teil der christlichen Glaubenstradition spricht v. a. seine Präsenz für eine Auseinandersetzung: Kinder und Jugendliche begegnen dem Teufel in literarischen, künstlerischen und popkulturellen Formaten. Und diese gewinnen ihre Gestalt nicht durch eine theologisch eingehegte Ausrichtung. Vielmehr treffen Kinder und Jugendliche unmittelbar auf Teufelsbilder und -konzepte, welche die Grenzen von Konfession und Religion überschreiten, welche nicht nur diskursiv, sondern auch instrumentell gebraucht werden und welche nicht nur zu denken geben, sondern auch verängstigen. Nicht zuletzt erscheinen der Teufel und das Böse in medialen Inszenierungen sogar als anziehendes Faszinosum (Valentin/Visarius). Den Teufel im Rahmen religiöser Lern- und Bildungsprozesse zu thematisieren, kann demnach dazu dienen, Zerrbilder über den Teufelsglauben des Christentums sowie anderer Religionen als solche zu dechiffrieren. Zudem leistet religiöse Bildung damit einen Beitrag zum Verstehen der christlich geprägten Religionskultur.

Bildserie 1 The Virgin Mary punches the devil in the face, Miniatur aus dem Stundenbuch De Brailes Hours (um 1240)

Vielleicht am wichtigsten ist jedoch ein letzter Aspekt: In einer von Krisen, Ungerechtigkeit und Kriegen geprägten Welt kommen Kinder und Jugendliche nicht umhin, Erfahrungen mit »dem Bösen« zu machen (Gärtner 28–30), und werden auch mit neuen Personalisierungsoptionen konfrontiert, wenn bspw. von Vladimir Putin als »dem Teufel« die Rede ist. Wenn die Religionspädagogik sich dieser Erfahrungswirklichkeit stellen möchte, kann sie dies weder theologisch redlich noch lebensweltlich überzeugend, indem sie eine einseitige »Kuscheltheologie« entwirft (Lachmann 378). Vielmehr muss sie sich bemühen, auch das Widerständige, das Negative, das Böse oder eben »den Teufel« zu bedenken (vgl. ähnlich: Embsbach).

So deutlich diese exemplarischen Argumente für eine Revitalisierung des Teufels als Gegenstand religiöser Bildung sprechen, so deutlich soll unser »Nein!« auch einer absoluten Ausrichtung der Religionsdidaktik gelten. Denn eine einfache Wiederbelebung des Teufels ohne religionspädagogische Kriteriologie liefe Gefahr, mittelfristig wieder jene negativen Wirkmechanismen zu reproduzieren, die Theologie und Religionspädagogik unbedingt vermeiden wollen.

Vom Teufel reden! – Aber wie?

Die Beiträge des vorliegenden Heftes überwinden auf je eigene Weise diese spannungsvolle Grundkonstellation. Auf dem Weg zu einer noch ausstehenden Kriteriologie eines didaktisch versierten Umgangs mit Konzepten des Teufels lassen sie bereits einige Leitlinien erkennen, die als Lesebrille und Anstoß zur Reflexion genutzt werden können.

Neue Begegnungen mit dem alten Bekannten sind in diesem Sinn erfolgversprechend angelegt, wenn sie auf inhaltlicher Ebene …

  • … die Pluralität der christlich-theologischen Denktradition einholen, indem sie bspw. das lehramtlich vertretene personale Teufelskonzept im Zusammenspiel mit solchen Entwürfen zu bedenken geben, die eine Nicht-Existenz des Teufels postulieren (Metzger) oder auch die vielschichtigen biblischen Stränge zum Teufel bedenken (König).
  • … die Grenzen von Konfession und Religionen überwinden und im Hinblick auf die multireligiös geprägte Gesellschaft auch weitere Konzepte des Teufels mit bedenken – wie bspw. die islamische Tradition der teuflischen Iblīs-Figur (Roters).
  • … das Böse nicht als solches, sondern im Kontext der Gottesfrage behandeln, dabei die Theodizeefrage eröffnen und somit am Aufbau eines komplexen Gottesbildes arbeiten (Pemsel-Maier).
  • … im Sinne einer Anthropodizee das Böse auch im Kontext der Schuld- und Sündhaftigkeit des Menschen behandeln (Schwendemann).
  • … beängstigende Bilder und Vorstellungen des Teufels in ihrer Symbolhaftigkeit deuten und dekonstruieren helfen (Tacke).

Dem entsprechen Zugänge und Methoden, die …

  • … aktuelle Präsentationsformen und -modi des Teufels als Anstöße der Reflexion heranziehen (Mayer; Ehrich).
  • … keine Teufelslehre entfalten, sondern die Lernenden selbst zum Nachdenken über die Welt, das Gute und das Böse im Horizont der Gottesfrage anregen (Pemsel-Maier).

Ein auf diese Weise konturierter Zugang läuft nicht Gefahr, den Teufel zu überhöhen oder neue Ängste zu schüren. Vielmehr geht es darum, den vorhandenen Fragen und Unsicherheiten nicht auszuweichen. Denn nur wenn religiöse Bildung es vermag, Konzepte des Teufels nicht durch Schweigen, sondern in der Auseinandersetzung zu bearbeiten, kann sie zu einer rationalen Reflexion über das Böse beitragen, krisenfeste Gotteskonzepte befördern und Ängste nehmen. Es ist also über den Teufel zu sprechen – um Gottes willen!

Dr. Eva Stögbauer-Elsner ist Akademische Oberrätin am Lehrstuhl für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Universität Regensburg und im Beirat der Katechetischen Blätter.

Dr. Johannes Heger ist Professor für Religionspädagogik und Didaktik des Religionsunterrichts an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg und im Beirat der Katechetischen Blätter.

Literatur

DBK (Hg.), Das Glaubensbekenntnis der Kirche (= KEK 1), Freiburg 52013 (Erstausgabe 1985).

Erdmann, Peter, Jugend und Jenseits, Münster 2017.

Emsbach, Matthias, Sympathy for the Devil?, in: Eulenfisch (2014), H. 1., 38–41.

Freudenberger-Lötz, Petra, Hat der Teufel Macht über uns? oder: Der fruchtbare Moment in theologischen Gesprächen mit Kindern, in: Loccumer Pelikan 4/2004, 183–186.

Gärtner, Claudia, »Erlöse uns vom Bösen …«. Religionspädagogisches Potenzial einer vernachlässigten Vaterunser-Bitte in Zeiten der Krise, in: RpB 46 (2023) 1, 27–37.

Haag, Herbert, Abschied vom Teufel. Vom christlichen Umgang mit dem Bösen, Düsseldorf/Zürich 92000 (Erstausgabe 1969).

Huncke, Sebastian/Paganini, Simone, Wer zur Hölle ist der Teufel? Die Faszination des Bösen in Bibel und Geschichte, Freiburg 2023.

Heyen, Heye, Biographie-Faktor Höllenglaube. Eine qualitativ-empirische Studie aus religionspädagogischer Perspektive, Münster 2003.

Lachmann, Rainer, Teufel, in: Ders./Adam, Gottfried/Ritter, Werner H. (Hg.), Theologische Schlüsselbegriffe. Biblisch – systematisch – didaktisch, Göttingen 52016, 374–380.

Langer, Michael, »In Gesellschaft der Teufel«. Zur Pädagogisierung der Hölle in der katechetischen Literatur der Neuzeit, in: KatBl 111 (1986) 782–785.

Leimgruber, Ute, Der Teufel. Die Macht des Bösen, Kevelaer 2012.

Ratzinger, Joseph, Der Teufel – weltbildlich bestimmte Anschauungsform oder bleibende Glaubensaussage?, in: Friemel, Franz Georg/Schneider, Franz (Hg.), »Ich bin ein Kind der Hölle«. Nachdenken über den Teufel, Leipzig 1996, 109–116.

Schöll, Albrecht/Streib, Heinz, Wege der Entzauberung. Jugendliche Sinnsuche und Okkultfaszination – Kontexte und Analysen, Münster 2000.

Schwendemann, Wilhelm, Böses/Satan/Teufel, in: Rothgangel, Martin/Simojoki, Henrik/Körtner, Ulrich H. J. (Hg.), Theologische Schlüsselbegriffe. Subjektorientiert – biblisch – systematisch – didaktisch, Göttingen 62019, 49–61.

Streib, Heinz, Satanismus II. Praktisch-theologisch, in: RGG 7 (2004) 844–845.

Valentin, Joachim/Visarius, Karsten (Hg.), Die Faszination des Bösen. Ein filmisches Panorama, Marburg 2022.