Editorial.

Liebe Leserinnen und Leser,

auf Seite 165 stellen Johannes Heger und Lukas Ricken, die das vorliegende Heft besorgt haben, zwei Fragen, die mich in den letzten Stunden durchaus intensiv mit mir selbst konfrontiert haben und mir einiges zum Nachdenken aufgetragen haben. Fix beantwortet war zwar, auf was und über wen ich so schimpfe, denn das geht ja wunderbar im Stillen als Maulen und Fluchen, aber auch öffentlich, dann gern verbrämt als vermeintlich sachliche Kritik. Die eigentliche Reflexionsaufgabe aber liegt da, wo es um die Gefühls- und Beziehungsebene geht und das Schimpfen sich ganz unmittelbar in direkter Kommunikation vollzieht – leider oft als Demütigung, manchmal aber auch als Befreiung. Ist Schimpfen eigentlich gut oder böse?

Die Beiträge dieses Hefts lösen die Ambivalenzen nicht einfach auf, sondern stellen sie höchst produktiv in unterschiedliche pädagogische, soziale und theologische Zusammenhänge. Laura Mößle stellt Schimpfen als komplexe Interaktion vor, die als dramatische Inszenierung auch Elemente von Katharsis und Erlösung bieten kann. Matthias Winkler geht den nicht seltenen biblischen Schimpftiraden nach und unterscheidet zwischen interessegeleiteter Polemik und lebenserhaltenden Einreden gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch. Stefan Metz versteht historische innerchristliche Auseinandersetzungen gerade in ihrer Schärfe als Ringen um Identität. Für ein kultiviertes Schimpfen plädiert Christian Forster und liefert dazu Bausteine aus Latein- und Religionsunterricht.

Für den zweiten Heftteil haben wir Elisabeth Birnbaum gebeten, Fragen des Bibellesens und Bibelverstehens in der Gegenwart zu erwägen. Ihre Unterscheidungen und Hinweise bündeln hilfreich Fragen zum »Sinn« biblischer Texte. Hendrik Lange bietet methodisch spannend und religionspädagogisch ertragreich kreative Zugangsmöglichkeiten zur Bibel über die Erstellung von Kurzfilmen im Unterricht. Texte ganz anderer Art und dabei doch nah an schon biblisch grundierten existenziellen Fragen bietet die Kinder- und Jugendliteratur. Norbert Brieden berichtet über Preisbuch und Empfehlungsliste des diesjährigen katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises.

Viel zu lesen! Auch zu schimpfen?

Rita Burrichter, Schriftleiterin