Editorial.

Liebe Leserinnen und Leser,

Wir leben in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. Und wir leben in höchst unsicheren Zeiten. Komplexe soziale, ökologische und ökonomische Fragen und Probleme einer globalisierten Welt drängen auf Antworten. Kein Wunder, dass wir es mehr denn je mit überzeugten und überzeugenden Künder*innen ganz unterschiedlicher, auch gegenläufiger Botschaften zu tun haben – auf den politischen Bühnen, in den Medien und sozialen Netzwerken, auf der Straße und im Freundes- und Familienkreis. Vielleicht denken Sie jetzt: »Bitte keine Aufrufe mehr! Nicht noch mehr Enthüllungen, Entlarvungen, Umkehrmahnungen und alternativlose Strategien!« In der Tat befasst sich das von Stefan Altmeyer besorgte Heft weniger mit Positionen, als vielmehr mit der Frage nach der Unterscheidung von wahr und falsch im Horizont einer unübersichtlichen Welt und positioniert sich gerade darin sehr entschieden gegen Hassreden, Verschwörungserzählungen und Beschwichtigungsformeln.

Die biblische Warnung vor den falschen Propheten erweist sich dabei als problemanzeigendes Narrativ. Anja Klein weist aus exegetischer Perspektive darauf hin, wie Aufdeckung von und Bezichtigung der Falschprophetie von je zeitgenössischen Einschätzungen und Interessenkonstellationen abhängt. Ein Befund, den unsere Bildserie anschaulich bestätigt und der auch die Unterrichtspraxis von Johannes Heger herausgefordert hat. Sabine Pemsel-Maier macht darauf aufmerksam, dass die christliche Unterscheidung von wahr und falsch auf bestimmten propositionalen Überzeugungen aufruht. Von ihnen darf nicht dispensiert werden. Michael Blume motiviert dazu, dialogische Gerechtigkeitsforderungen und dualistische Freund-Feind-Schemata genau zu unterscheiden. In den Praxisempfehlungen bietet das »Framing«, das Heike Harbecke vorstellt, dazu eine methodische Hilfestellung mit hohem Potenzial zur selbstkritischen Reflexion.

Eine klare Positionierung zum Thema »Macht in der Kirche« bietet der zweite Heftschwerpunkt. Burkhard Hose beschreibt biblisch grundiert, erfahrungsgesättigt und persönlich Wandlungschancen kirchlicher Macht. Marion Rose analysiert mit eminent praktischem Bezug die in der katholischen Kirche wirksamen Machtlogiken.

Nachdenklich gehen wir in ein Neues Jahr, bleiben Sie fragend, prüfend und dialogisch!

Rita Burrichter, Schriftleiterin